Sunday, August 28, 2005

Giovanni

Soeben habe ich den Col de Romeyere bezwungen, ein anstrengender Paß, aber wesentlich spektakulärer, als er steil ist. Ein in den Fels geschlagenes Wunder der Ingenieurskunst und der erste Teil meiner Vercorrunde. Von der Richtung, in die weiter will, ziehen bedrohlich schwarze Wolken hoch, die ersten Tropfen treffen mich. Mein Plan ist durchkreuzt, ich drehe um, trete, wie ich eben kann. Ich will so schnell wie möglich zurück, damit mein Rad nicht ungebührlich leiden muß. Unten im Tal drücke ich nach Zeitfahrmanier, die Augen auf dem Seitenstreifen, dem ich folge, und dem Tacho, der mich mit großen Zahlen motiviert, während dicke, aber angenehm warme Tropfen auf mich einprasseln, ein nicht enden wollender Gewitterguß.

Ich bin nicht böse, einmal im Jahr kann man naß werden, das gehört dazu. Trotzdem halte ich an, als mir Giovanni mit seinem Fiat Panda zuwinkt. Sein Fahrrad macht sich schon auf den Rücksitzen breit, meins soll auch noch rein. Unmöglich, in so eine Flohkiste? Nach gehörigem Schütteln und Rütteln sind wir schließlich alle vier im Auto und fahren warm und trocken Grenoble entgegen. Ich habe keine Ahnung, wer Giovanni ist, wie er dazu kommt, mich mitzunehmen. So ist er halt, denke ich mir, freundlich und gesellig, ein Sizilianer. Er erzählt mir, daß er früher viele Jahre in München arbeitete und jetzt hier lebt. Heute morgen hatte er ein Rennen im Vercors, nun kauderwelscht er mit mir mit trappatonischem Mut an Worten. Den Sätzen fehlt jede Grammatik, dafür sind die Sprachen reichlich vertreten. Auch ich trage zur linguistischen Verwirrung bei. Schließlich halten wir vor meiner Wohnung, es regnet immer noch. Ich winke ihm nach, mille grazie.

Thursday, August 25, 2005

advanced vinology

The other day I was walking through my grocery store when a bottle of wine caught my eye. A Corbière for one euro. One euro? Granted, wine is cheap in France, but that sounded a bit too cheap. But how could I let such an offer pass me by? I decided to buy the bottle and also a three euro bottle and a five euro bottle. All three from Corbière, about which my wine book says: good tasting red wine, usually an outstanding value. These bottles I kept until my mom and grandmother arrived here. I was wondering how these seasoned vinophiles would judge them.

When the day came, I pasted little numbers at the bottoms of three wine glasses so they would be invisible when drinking and filled each glass with wine corresponding to a number. I did this in complete darkness so I wouldn't later recognize the wine by its color. Then I shuffled the glasses like a second-rate magician and wrote big numbers at their sides using a permanent marker. Finally all three of us were sitting around the kitchen table with the glow of excited expectation on our faces.

To make a long story short - and long it took us indeed to come to a conclusion - all three wines were very drinkable and tasted remarkably alike. They were all Corbières, duh! I studied the color, trying to find differences in their profound redness. I sniffed their bouquets and started to pick favorites. One candidate tempted me very pleasantly, but I'm not sure I would have been able to identify it blindly, with my nose only. By this time my olfactory system was registering an overload of stimuli, and my palate was demanding its turn. Time to sip!

Again, the similarity of taste was striking. Fairly soon I declared one wine loser, but that was more a whim to make it easier to choose a winner than to really declare a loser. After a few more rounds, my taste bud were slowly giving up one me. I had to rank them - and so did mom and grandma.

Our picks didn't match. Experience counts. The older generations got it right. I was surprised to see that I had chosen the one euro wine as tastiest. It would certainly be good for my budget if I could find this wine again.

Saturday, August 06, 2005

Schneller bergan

Heute bin ich mal wieder ins Vercors gefahren. Das ist einer der drei Gebirgszüge, die Grenoble umschließen, mit gewaltigen Schluchten, aber relativ moderaten Steigungen. Die Straße von Sassenage nach Lans war Ort meiner ersten Ausfahrt in Frankreich. 800 Höhenmeter auf 19 Kilometer, das haut keinen aus den Socken, strengte mich im April aber ungebührlich an. Heute war alles anders. Zum ersten Mal seit langer Zeit kämpfte ich an einer Steigung nicht mit dem Berg, sondern mit mir. Die Unterschiede sind gravierend.

Ist der Anstieg zu steil für die Kraft, muß man den Berg bekämpfen. Der Blick ist auf den Meter Asphalt vor dem Vorderrad geheftet. Quälend langsam kommt der Paß näher. Bei jeder Pedalumdrehung stellt sich die Frage, ob man es schafft. Das Vorankommen ist mühsam, die Beine schmerzen, die Motivation ist lau. Umdrehen und Ins-Tal-Rollen, die totale Kapitulation, ist sehr verlockend. Der Berg ist der Meister, dem Radler werden die Grenzen aufgezeigt.

Ganz anders, wenn es läuft, wenn die Kraft stimmt, die Beine gut sind. Nur der Kopf entscheidet jetzt über die Geschwindigkeit, der Körper muß mit. Ein großer Gang und runder Tritt bügeln die Steigung platt. Rad und Fahrer vereinigen sich, um gemeinsam dem Willen zu gehorchen. Runterschalten, es ruhiger angehen, hat als Alternative keinen Reiz. Der Berg als Prüfstein des Durchhaltevermögens, ein Element der Prüfung, die der Mensch sich selbst stellt.

So war es also heute, als ich während des ganzen letzten Drittels nur im großen Blatt fuhr. Jeder Blick auf den Tacho gab mir einen weiteren Schub und stärkte den Willen, das Brennen in Beinen und Lunge zu ignorieren. Ich fuhr ein Rennen. Aber nicht gegen den Berg, sondern gegen mich. Und ich triumphierte.